29 Dez Jahreswechsel – eine Zeit der inneren Einkehr
Über die Besonderheit des abschließendes Jahres wurde und wird viel gesprochen und geschrieben. Für die meisten Menschen war das Jahr 2020 ein Jahr, das jedem in Erinnerung bleiben wird. Das Corona-Jahr.
Was es gesellschaftlich mit uns machen wird, werden wir noch erleben.
Wie der einzelne Mensch mit seinen inneren und äußeren Herausforderungen, hervorgerufen durch die Corona-Situation, umgehen wird, liegt in ihm Selbst.
Eine Möglichkeit besteht in der persönlichen Weiterentwicklung. Der Jahreswechsel mit seiner Verlangsamung und gerade jetzt noch verstärkt durch den Lockdown lädt geradezu ein, sich mit sich selbst zu beschäftigen.
Sinnieren über den Sinn des Seins
In diesen Tagen ist mir Hermann Hesses Gedicht „Stufen“ mit seinen bekannten Zeilen im Nachdenken über diese Zeit in die Erinnerung gerückt.
Es war mir nie gegenwärtig, dennoch sind mir die bekanntesten Zeilen in die Gedanken gerückt. Zunächst in den Worten: Allem Ende wohnt ein Anfang inne.
Das Gedicht von Hesse „Stufen“ lautet jedoch:
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Innehalten
Wie ich in meiner Recherche zum Gedicht nachlas, hat Hesse es als ein optimistisches Gedicht angelegt. Ursprünglich wollte er es „Transzendieren“ nennen.
In seinen Zeilen spricht er an, dass der Mensch danach streben soll, sich „Stufe“ für „Stufe“ weiter zu entwickeln bzw. offen für Neues sein möge.
In der zweiten Strophe wird das Thema „Neues zu wagen“ noch einmal verstärkt in den Fokus gerückt. An nichts soll der der Mensch festhalten sondern „heiter Raum und Raum durchschreiten“
Wer für diesen Veränderungsprozess nicht bereit ist, dem droht „Erschlaffen“.
Reflexion
Dieses Gedicht kann in der Reflexion des eigenen Seins den inneren Prozess sehr unterstützen.
Was ist dazu notwendig? Ehrlichkeit sich selbst und seinen Ängsten gegenüber.
Jeder Mensch hat seine eigenen unbewussten Ängste, die ihn in ein bestimmtes Verhalten und Handlungsmuster bringen.
Wir werden jetzt herausgefordert, uns damit auseinander zu setzen. Oder aber, diese Ängste und die Fragen, die dahinter stehen, zu verdrängen.
Zeit eines großen Wandels
Es kann sehr hilfreich sein, sich selbst und seine Umwelt zu erkennen und zu reflektieren. Das eigene Sein kann damit besser verstanden werden. Handlungsalternativen können sich auftun und das Miteinander im Kleinen, wie im Großen, kann sich verbessern.
Wandel wird in Hesses Gedicht nicht nur als ein biologisch fortschreitender Alterungsprozess gesehen, sondern als eine positive Grundeinstellung, der den Geist über den Körper stellt.
Die Welt ist offen für denjenigen, der sich ihr zuwendet: „Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen“.
Unsere aktuelle Zeit zwingt nahezu jeden, sich dem Strom des Wandels hinzugeben. Es scheint, als hätten wir keine Alternativen. Wir werden hineingesogen in die Veränderungen. Sie gleiten in die Familien hinein, nicht eingeladen, sind sie da.
Der Wandel wirkt im Kleinen und zieht größere Kreise.
Und die wohl bekanntesten Zeilen des Gedichts von Hesse: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben“ sind voller Zuversicht und Optimismus.
Mit diesen Zeilen möchte ich Sie ermutigen in das neue Jahr „hinein zu gehen“.
Lassen Sie es uns das neue Jahr, den Wandel, gemeinsam, jeder für sich und letztlich gemeinsam, positiv gestalten.
In diesem Sinne – herzlichst – Claudia Mächtle
Auszüge aus www.mein-lernen.at